Kinder kommen nicht mit der Fähigkeit auf die Welt, ihre Emotionen selbst zu regulieren. Diese entsteht erst langsam über die Kindheit hinweg. Um das effektive Regulieren der eigenen Emotionen entwickeln zu können, braucht das Kind die Begleitung eines Elternteils.
Wenn sich das Kleinkind mitten im Supermarkt weinend auf den Boden schmeißt, plötzlich in der Nacht heftig zu protestieren und schreien anfängt oder wütend Gegenstände auf den Boden schmeißt, dann werden die Nerven der Eltern auf die Probe gestellt. Ganz besonders, wenn zusätzlich für den Erwachsenen kein offensichtlicher Grund zu erkennen ist.
Unsere Tochter hatte gerade letzte Woche eine Phase, in der sie zwischen ein und vier Uhr morgens jedes Mal aufwachte und nicht mehr in den Schlaf zurück fand. Mein Mann und ich gaben ihr das übliche Fläschchen, holten all ihre Puppen ins Bett, boten ihr an, sich zu uns zu kuscheln und für sie zu singen. Doch unsere Versuche schienen ohne Erfolg zu bleiben. Alles was sie wollte war, mitten in der Nacht aufzustehen. Als wir dem nicht nachgaben, schrie sie sich die Seele aus dem Leibe und weinte bitterlich.
Wir Erwachsenen waren uns einig darin, dass unsere Grenze bestehen bleiben würde: In der Nacht schlafen wir und bleiben im Bett, um die Nacht nicht zum Tag zu machen. Wir versuchten dies unserer Tochter auch immer wieder sanft zu erklären. Gleichzeitig ermutigten wir uns am Tag gegenseitig, dass diese Phase doch sicherlich bald wieder enden würde und wir bereits solche Herausforderungen gemeistert hatten. Nach etwa drei Nächten platzte jedoch meine Geduld. Ich sollte am darauffolgenden Tag arbeiten und war zusätzlich körperlich etwas angeschlagen. Mehrmals reagierte ich auf die Schlaflosigkeit und das Jammern unserer Tochter mit genervtem Geschimpfe. Das machte die gesamte Situation jedoch nur schlimmer.
Es ist für das Kind nahezu unmöglich, zu einem Zustand der Ruhe zurück zu kommen, wenn die Vertrauensperson innerlich nicht selbst zur Ruhe findet. Diese Erkenntnis und Überzeugung kam mir in der nächsten Nacht unter, als ich erneut nach etwa zwei Stunden Schlaf wieder geweckt wurde. Bevor ich reagierte, holte ich tief Luft und erinnerte mich an eine Übung, die ich im Pikler-SpielRaum kennengelernt und seither in herausfordernden Situationen immer wieder angewandt hatte. Letzte Nacht hatte ich mit einer ganz hohen, angespannten und gestressten Stimme auf meine Tochter eingeredet. Meine eigenen Emotionen konnte ich dabei in Brust- und Kopfhöhe in meinem Körper verspüren. Nun versuchte ich bewusst eine ruhige, tiefere Stimme aus dem Bauch heraus zu wählen. So sprach ich ganz entspannt und sanft. Obwohl sich die Emotionen meiner Tochter nicht anders äußerten als in den vergangenen Nächten, war das Ganze plötzlich viel leichter für mich. Ich schaffte es wieder, meine Tochter zu begleiten. Nach etwa einer Woche wurden die Nächte dann ruhiger und der erholsame Schlaf kam zurück.
Diese Übung und das Begleiten der Emotionen allgemein gibt einem als Elternteil ein Werkzeug mit auf den Weg. Es hilft einem, sich aus der Krise herauszunehmen und trotz oft heftiger Herausforderung, seine eigenen Emotionen regulieren zu können. Da Kinder am Modell der Vertrauenspersonen lernen, ist der Umgang mit den eigenen Emotionen ein so ausschlaggebender Punkt. Denn wie sollte ein Kind das Regulieren seiner Emotionen effektiv entwickeln können und aus der Krise kommen, wen seine Vertrauenspersonen selbst keine Wege für sich finden können.
Ganz spezifische Worte, die mir in schlaflosen Nächten beim Begleiten helfen sind etwa: "Ich verstehe dich, du möchtest gerne aufstehen. Irgendetwas drückt dich. Am Tag können wir wieder Spielen. Du kannst bei mir liegen und ich halte deine Hand." Oder: "Ich verstehe du möchtest bei mir trinken. Das ist zu Ende gekommen. Du kannst Wasser haben. Ich weiß das ist nicht leicht für dich. Aber ich traue dir das zu. Du schaffst das." Auch in den Nächten und beim nächtlichen Abstillen hat es mir ungemein geholfen zu verstehen, dass die Tränen meines Kindes hier etwas ganz hilfreiches sind, solange ich meine Ruhe bewahren kann.
Den ersten Beitrag zum Thema 'Emotionen' findest du hier: https://laut-leben.at/emotionen-begleiten-i/